Klarstellung zum FN-Artikel über das heimliche Nazi-Erbe der Stadt

 

 

In unten stehendem, interessanten Artikel über das Nazi-Erbe in Fürth von Redakteur Volker Dittmar wurde ich leider nicht ganz korrekt zitiert:

Ich sagte auf telefonische Anfrage, dass der alte Ludwigsbahnhof abgerissen werden konnte, weil der neue Hauptbahnhof dessen Funktion übernahm. Von „abgerissen hätte werden müssen“  war nicht die Rede. Schließlich hatte das Gebäude ja bis zum Abriss schon eine andere Nutzung. U.a. war das Möbelhaus Scherer dort untergebracht.

Als Stadtheimatpflegerin würde ich nie von historischen Gebäuden sprechen, die man abreißen muss. Da ist leider ein falscher Zungenschlag entstanden.

Karin Jungkunz

 

Das heimliche Nazi-Erbe der Stadt Freiheit, Kaserne und Bunker: Relikte der NS-Zeit bereiten in Fürth keine Probleme

VON VOLKER DITTMAR Der Umgang mit der Nazi-Architektur bereitet in Nürnberg großes Kopfzerbrechen. Steinerne Zeugen der Diktatur, wie die Zeppelintribüne auf dem Reichsparteitagsgelände, fordern zur Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte heraus. Und das auch, weil ihr Erhalt sehr teuer ist. Fürth ist von solchem Konfliktpotenzial verschont. Nicht jedoch vom Nazi-Erbe – obgleich es weniger markant in Erscheinung tritt als in der Nachbarstadt. FÜRTH — Die größte Wunde, die von den braunen Machthabern ins Stadtbild geschlagen wurde, ist noch immer nicht verheilt. „Fürther Freiheit“ heißt seit 1946 der Platz, der nach Ansicht der früheren Stadtheimatpflegerin Barbara Ohm keiner ist, weil er nicht als solcher angelegt wurde. Eine Steinwüste, die durch den Abriss des alten Ludwigsbahnhofs 1938 für ein Aufmarschgelände entstand und später für den Luftkrieg hergerichtet wurde. Bereits zur Machtübernahme der NSDAP am 21. März 1933 nach dem Freikorpskämpfer Albert Leo Schlageter benannt, wurde das Gelände 1940 mit einem Bunker und Löschwasserbecken für den Luftkrieg aufgerüstet. Auch für die Flak und den Schutt zerbombter Häuser benötigte man die Fläche, weiß Ohms Nachfolger Alexander Mayer. Qualvolle Nacht Die jetzige Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz denkt jedoch eher an jene jüdischen Mitbürger, die hier in der Pogromnacht am 10. November 1938 zusammengetrieben wurden und stundenlang in der Kälte ausharren mussten. Sie gibt zu bedenken, dass der durch den Bau des Hauptbahnhofs 1863 überflüssig gewordene Ludwigsbahnhof ohnehin hätte abgerissen werden müssen. Nebenan in der heutigen Adenaueranlage hatten die Nazis nach 1933 einen kleineren Aufmarschplatz angelegt und mit einem Pavillon versehen, der heute noch steht. In den Stadtpark ausquartiert wurde bei der Generalsanierung der Grünanlage 2004 lediglich die 1952 darin aufgestellte Steinsäule des Fürther Künstlers Karl Dörrfuß zur Erinnerung an die nicht aus dem Krieg Heimgekehrten. Eine weitere Wunde entstand durch die Zerstörung der Hauptsynagoge an der heutigen Geleitsgasse in der Pogromnacht. Bei der Flächensanierung des Gänsbergviertels zwischen 1962 und 1982 wurde sie geschlossen. An die Schändung des Gotteshauses erinnert seit 1986 die vom Fürther Bildhauer Kunihiko Kato geschaffene Steinsäule. Selbst den alten jüdischen Friedhof an der heutigen Stadthalle haben die Nazis nicht verschont. Hier legten sie ein Löschwasserbecken an, obwohl es genug Wasser in der nahen Regnitz gibt. Die Reste der Beckeneinfassung und der zerstörten Grabstätten sind noch zu sehen. Ihren Stempel haben Nationalsozialisten auch der Südstadt aufgedrückt. An der Flößaustraße verbanden sie Artillerie-, Infanterie- und Trainkaserne zu einem gewaltigen Gebäuderiegel. Nach dem Abzug der US-Army als letzter militärischer Nutzer wurde der Komplex in ein komfortables Wohnquartier mit Penthouse und Balkonen umgewandelt. Seinen martialischen Charakter trägt er nur noch ansatzweise zur Schau. Stilistischer Widerspruch Auf dem alten Flugplatz Atzenhof zeugen noch ein inzwischen als Reithalle genutzter Hangar und das mit Tower ausgestattete Befehlsgebäude von der dunklen Ära. Hermann Göring, der in Fürth aufgewachsene Oberbefehlshaber der Luftwaffe, war hier ebenso oft zu Besuch wie der auf dem von ihm zum NS-Mustergut umgebauten Pleikershof bei Cadolzburg ansässige „Frankenführer“ und Hetzblatt-Herausgeber Julius Streicher. Interessant findet es Ohm, dass das Befehlsgebäude in dem von den Nazis verhassten Bauhausstil gehalten ist. Dafür räumten die braunen Machthaber mit den Zeugnissen der Monarchie auf, die als Gegenbewegung vor ihrer Machtübernahme in Bayern vermehrt Sympathisanten gefunden hatte. So wurde etwa die Wittelsbacherbank mit den Reliefs der vier bayerischen Könige in der Hornschuchpromenade entfernt, zu deren Enthüllung 1906 sogar Prinz Ludwig nach Fürth gekommen war. 1938 verschwand auf Weisung des Reichsluftfahrtministeriums auch der markante Bismarckturm auf der Hardhöhe, für den auch viele jüdische Mitbürger gespendet hatten. Er war der Erweiterung der Kriegsflugzeugproduktion von Bachmann & Blumenthal im Weg. Dafür bekam Fürth Bunker. Vier sind noch erhalten. Der noch voll ausgestattete Schwandbunker wird inzwischen als Museum genutzt. Zum Wohngebäude ist 2011 der Ronwaldbunker umgebaut geworden. Dazu sägte man große Fenster- und und Türöffnungen in den 1,3 Meter dicken Stahlbeton. Auf den Bunker an der Mühltalstraße wurde nach vergeblichen Sprengversuchen in luftiger Höhe schließlich ein Einfamilienhaus gesetzt. Von der dunklen Zeit zeugt außerdem noch der zur Tarnung mit einem Giebeldach versehene Hochbunker Kronacher Straße. Unter der Erde gibt es freilich weitere Schutzräume. Das Tunnelsystem am Mariensteig soll verfüllt werden, um es vor dem Einsturz zu bewahren, das am Krankenhaus wird teilweise als Kunstraum genutzt. Zu den Relikten der Nazizeit zählt Mayer auch die nach 1935 errichteten Kleinhäuser der Hardsiedlung. Die Idee stamme vom 1945 im Fürther US-Militärkrankenhaus gestorbenen Reichsarbeitsminister Franz Seldte. Mit Siedlungshäuschen auf eigenem Grund und Boden habe er Industriesiedlungen ideologisch das Wasser abgraben wollen. Ohm teilt diese Einschätzung allerdings nicht, und der stellvertretende Stadtheimatpfleger Lothar Berthold datiert die Anfänge der Hardsiedlung in die Spätphase der Weimarer Republik. Ein Luftschloss Erspart wurde Fürth immerhin ein von Größenwahn geprägtes Bauvorhaben: das am Espan geplante Thermalbad. Ein riesiges Projekt, nicht weit entfernt von den Relikten des 1912 bis 1916 florierenden ersten Kurbades auf der anderen Seite der Pegnitz, wo später Grundig seinen Produktionsstandort aufbaute und heute die Forschungseinrichtungen des Technikums Neue Materialien beheimatet sind. Es ist nie über das Planungsstadium hinausgekommen. Schon das Modell maß allerdings stolze 14 Quadratmeter. Lediglich ein großer Erdwall am Rand der 1961 hergestellten Parkanlage Kleine Mainau mit dem 2007 erneuerten Pavillon der Espanquelle zeugt noch von der 1941 endgültig beerdigten Illusion von Bad Fürth. Er wurde mit Eichen bepflanzt, die man vom Industrieflughafen auf der Hardhöhe hierher versetzte.