Mit seiner Arbeit über die „Spuren jüdischen Lebens in Fürth während des Ersten Weltkriegs“ holte Simon Rötsch aus Oberasbach einen Landessieg beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten und wurde in München ausgezeichnet. Die Nachforschungen des 16-Jährigen sind auf einer Homepage im Internet zu finden.
(von Sabine Rempe)
„Ich interessiere mich schon seit längerem für die Geschichte des Ersten Weltkriegs.“ Ein Satz, den Simon Rötsch irgendwann ganz beiläufig sagt und der bei ihm völlig selbstverständlich klingt. Trotzdem eine kurze Nachfrage: Wann erwachte denn seine Aufmerksamkeit für diese Zeit? „Da war ich ungefähr 13“, überlegt der Schüler, der am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium die 11. Jahrgangsstufe besucht. „Ich habe mich immer viel mit meinem Opa unterhalten und ihm Fragen gestellt.“ Und dann war da noch die Sache mit den Feldpostkarten.
Die entdeckte er damals im Keller der Großeltern: „Die lagen in einem Schrank“. Geschrieben hatten sie die Brüder seiner Urgroßmutter, sie waren während des Ersten Weltkriegs an der Westfront. Simon begann, mehr und mehr Informationen zu sammeln. Als ihn Felizitas Handschuch, Lehrerin am Oberasbacher Gymnasium, dann ansprach, ob er sich nicht beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten beteiligen wolle, nickte er nicht nur, sondern wusste auch gleich ein passendes Thema.
Alte Zeitungen gewälzt
„Schon bei den ersten Nachforschungen hatte ich entdeckt, was für eine entscheidende Rolle die jüdischen Mitbürger in Fürth während des Ersten Weltkriegs spielten.“ Nun ging Simon systematisch an seine Aufgabe heran und machte in Archiven und Bibliotheken Station. Im Fürther Stadtarchiv wälzte er zum Beispiel alte Zeitungen, blätterte in Geburts- und Sterbeurkunden. In München besuchte er das Bayerische Kriegsarchiv und schaute sich Offizierspersonalakten an. Besonders spannende Informationen fand er auch im Archiv des Jüdischen Museums Franken, in dem er recherchieren durfte.
Doch es blieb nicht beim Blick in längst in die Jahre gekommene Papiere: „Ich habe per Mail Kontakt aufnehmen können mit Nachfahren und auf diese Weise unter anderem Fotos bekommen.“ Gut ein halbes Jahr lang schrieb der 16-Jährige dann an seinem Wettbewerbs-Beitrag, dem er den Titel „Fiorda 14 – 18“ gab und sich damit auf den traditionsreichen hebräischen Namen für Fürth und seine Jüdische Gemeinde bezog. Exemplarisch stellt Simon fünf Männer vor, berichtet über ihr Leben und versucht auch darzustellen, wie und ob sie ihren Glauben gelebt haben.
Zum Hauptmann befördert
Zu den Protagonisten gehört etwa Albert Rosenfelder, der 1864 in Fürth zur Welt kam. Er wurde Mitinhaber der Bilderbücherfabrik Löwensohn, 1909 zum Kommerzienrat ernannt und 1914 zum Königlichen Handelsrichter am Bezirksgericht in Fürth berufen. Rosenfelder engagierte sich unter anderem als Ortsdelegierter des Roten Kreuzes und in der Fürther Kriegsfürsorge. Bei Kriegsausbruch 1914 stellte er sich als Offizier zur Verfügung, kurz darauf wurde er eingezogen und zum Hauptmann befördert.
Auf dem Truppenübungsplatz Hainberg war Rosenfelder dann für die Schulung neuer Soldaten zuständig. Unter bis heute ungeklärten Umständen wurde er dort am 1. Juli 1916 ermordet. Wer – augenscheinlich aus der Nähe – einen Schuss abgeben konnte, der Rosenfelder in den Kopf traf, sollte zwar von einer Militärkommission aufgeklärt werden, doch das Ergebnis dieser Untersuchung ließ viele Fragen offen.
Zu den Biografien, die Simon Rötsch recherchierte, gehört auch die von Benno Berneis. Ein Name, der in Vergessenheit geriet, was der Schüler nicht nachvollziehen kann: „Benno Berneis war ein Maler des aufkommenden Expressionismus, Mitglied bei der Freien Secession in Berlin rund um Max Liebermann und Max Slevogt und zu seiner Zeit vielbeachtet und hochgelobt.“ Der Künstler, geboren am 9. Mai 1883 in Fürth, besuchte das Humanistische Gymnasium – heute Schliemann-Gymnasium – und war Mitglied der Schülerverbindung Abituria. Simon Rötsch berichtet in seiner Arbeit davon, dass Benno Berneis‘ Bild „Reiter am Meer“ 1913 bei der vielbeachteten 26. Ausstellung der Berliner Secession zwischen den Werken von Lovis Corinth und Max Beckmann im großen Mittelsaal der Schau gezeigt wurde.
Bei Kriegsausbruch 1914 meldete auch Berneis sich freiwillig. Am 8. August 1916 stirbt er mit 33 Jahren bei einem Luftkampf über Saint-Souplet in Frankreich. Teile seines Nachlasses befinden sich seit 2014 in der Berlinischen Galerie. Rötsch hatte inzwischen die Chance, diese Werke in der Ausstellung und im Depot anschauen zu können und zwar gemeinsam mit der Fürther Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz: „Sie ist natürlich sehr an Benno Berneis interessiert, für August kommenden Jahres ist eine Ausstellung mit seinen Arbeiten in der kunst galerie fürth geplant.“
Detailliert und spannend sind auch die anderen Biografien, die Rötsch zusammengetragen hat. Damit diese in Teilen durchaus exemplarischen Lebensläufe nicht in Vergessenheit geraten, hat er eine bemerkenswerte Homepage gestaltet (www.fiorda14-18.com). Inzwischen dokumentiert er dort auch nach und nach das Schicksal der jüdischen Kriegsopfer Fürths, deren Namen auf dem Denkmal am Neuen Jüdischen Friedhof verzeichnet sind.
Fertig, sagt Simon Rötsch, ist er noch lange nicht. „Es bleibt noch viel zu tun.“