Neues Buch der Historikerin Barbara Ohm

Wie Juden Fürth über Jahrhunderte prägten
Von 1528 bis zur Gegenwart: Barbara Ohms anschauliches Buch über die jüdische Geschichte der Stadt

VON WALTER GRZESIEK Fürther Nachrichten 12.12.2014
Die Historikerin und frühere Stadtheimatpflegerin Barbara Ohm hat ein umfassendes, anschauliches und gut illustriertes Buch zur traditionsreichen Geschichte der Juden in Fürth verfasst. Am Mittwochabend stellte sie es im Stadtmuseum vor.

FÜRTH — Kaum jemand im vollbesetzen Saal des Museums ging ohne das schwere Buch nach Hause. Der großformatige Band mit zahlreichen Fotos und Illustrationen reicht vom Jahr 1528 bis heute, ist übersichtlich in 18 Kapitel gegliedert und verlockt schon von daher zum Blättern und Schmökern. Zudem schreibt die Fürth-Spezialistin anschaulich an Personen und Details entlang, ohne den roten Faden der jeweiligen Kapitel zu verlieren. Ohms Wertungen und Zusammenfassungen sind sachlich, knapp und klar. Und doch spürt man ihre Sympathie für die jahrhundertelange Erfolgsgeschichte des Zusammenlebens von Juden und Christen in Fürth.
Auch ihren einführenden Vortrag konzentrierte die Historikerin, die in vielen Archiven die zahlreichen nichthebräischen Quellen auswertete, auf die guten Zeiten des 16. bis 19. Jahrhunderts: Fürth gestand den Juden gleiche Bürgerrechte zu. Jüdische Vertreter hatten in der Gemeindeversammlung Fürths Rede- und Stimmrecht. Juden und Christen lebten über Jahrhunderte Tür an Tür friedlich zusammen. Die Juden konnten Synagogen und eigene Schulen errichten und über den Zuzug neuer Familien selbst entscheiden – ein Recht, das mit der bayerischen Übernahme Fürths zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingeschränkt wurde.
Ein eigenes Kapitel widmet Ohm dem jüdischen Stiftungswesen zur Zeit der Industrialisierung. Der Centaurenbrunnen am Bahnhof, das Stadttheater, das Berolzheimerianum und das Nathanstift sind steinerne Zeugen dieser Epoche friedlichen Miteinanders. Das Mäzenatentum der jüdischen Unternehmer und Familien ging so weit, für den Bau der katholischen Pfarrkirche „Unsere Liebe Frau“ zu spenden, um danach auch die Katholiken in ganz Bayern zur Unterstützung dafür aufzufordern.
Über die kompakte Darstellung dieser jüdischen Sozial- und Kulturpolitik hinaus vermag die Autorin das Lebensgefühl zu vermitteln, das im liberalen Fürth bis in die 1920er Jahre hinein selbstverständlich gewesen sein soll. Beispiel: Als der bayerische Prinz Ludwig 1906 zur Eröffnung des Berolzheimerianiums nach Fürth kommt, nächtigt er in der (heute nicht mehr bestehenden) Villa des jüdischen Kommerzienrat Anton Sahlmann am Bahnhofplatz. Ehefrau Marie hat diesen denkwürdigen Abend inklusive des Besuchs von Rabbiner und Bamberger Bischof in einem Brief an ihren Sohn begeistert festgehalten.
Profiteur Schickedanz
Umso unbegreiflicher bleibt der nach dem Ersten Weltkrieg auch in Fürth aufkeimende Antisemitismus sowie die Enteignung und Entrechtung der Juden ab 1933. Ohm nennt im Buch die wirtschaftlichen Profiteure von Pogrom und Arisierung – unter anderem Schickedanz und Eckart. Sie widmet sich dem intellektuellen Aderlass durch Emigration (Henry Kissinger, Jakob Schönberg) und Deportation (Bella Rosenkranz, Dr. Isaak und Clara Hallemann). Und resümiert: „Letztlich kann man das Verhalten der Fürther in dieser Zeit genauso wenig erklären wie das der Deutschen überhaupt.“
Barbara Ohm beschließt ihr facettenreiches Buch mit der Hoffnung, dass sich in der heutigen jüdischen Gemeinde wieder vielfältiges Stadtleben entwickelt. Von der jüdischen Geschichte bleibe Fürth „die in vielen Jahrhunderten erworbene Offenheit gegenüber Menschen mit einer anderen Herkunft, anderen Ansichten und einer anderen Religion“. Dazu leistet Ohms Buch einen hervorragenden Beitrag.

 

Barbara Ohm, Geschichte der Juden in Fürth, Geschichtsverein Fürth, 300 Seiten, 29,90 Euro.