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Der Förderverein Stadtmuseum Fürth sucht neue Wege, um das Museum zu unterstützen

Im Stadtmuseum treffen Familienschätze auf Experten
„Museumsreif“: Fürther können Raritäten aus dem heimischen Fundus am 26. Juni bewerten lassen — Vorbild ist „Kunst & Krempel“

VON MATTHIAS BOLL, Fürther Nachrichten

Kunst oder Kitsch, Kracher oder Rohrkrepierer, Picasso oder Plunder? Erstmals wird das Stadtmuseum Ende Juni in Kooperation mit den FN zum Begegnungsort für Antiquitätenbesitzer, die Näheres über ihr Lieblingsobjekt wissen wollen. Unter dem Titel „Museumsreif – Fürther Dachbodenschätze“ beurteilen Experten Raritäten aus dem Familienfundus. Anmeldungen sind bis 10. Juni möglich.

FÜRTH — Sage niemand, unter Fürther Dächern und auf hiesigen Hinterhöfen tanze lediglich der Staub der Jahrhunderte. Da ist zum Beispiel jener seltsame dunkelgraue Kasten mit Kurbel, in einer steinalten Werkstatt in der Karolinenstraße harrte er seiner Entdeckung. Jahrzehntelang. Im Stadtarchiv stieß der Besitzer, es war Anfang 2015, erst auf große Augen, dann auf Begeisterung. Das Ding stellte sich als Flugzeuganlasser aus der Zeit des Ersten Weltkriegs heraus, wo es auf dem Atzenhofer Flugplatz im Einsatz war. Ein Stück Fürther Stadtgeschichte und ein wertvoller Fund obendrein.
Ein Einzelfall? Mitnichten. Da geht noch mehr. „Einen Versuchsballon“ steigen lassen will der Förderverein des Stadtmuseums mit seiner Veranstaltung am 26. Juni; klappt der Jungfernflug, dann könnte „Museumsreif — Fürther Dachbodenschätze“ in Zukunft mehrmals im Jahr über die Bühne gehen. „Unser Ziel ist es, das Museum bekannter zu machen“, antworten die Vereinschefinnen Karin Jungkunz und Maria Ludwig auf die Frage, was es mit dem Tag auf sich hat. Nach einigen literarisch-musikalischen Matineen soll diesmal eine Antiquitäten-Begutachtung Geld in die Kasse des 2007 eröffneten Hauses spülen — Geld, das ohne Abzüge in die Museumspädagogik fließen wird.
Otto Normalmensch mit altem Gegenstand aus Privatbesitz trifft auf Fachmann oder -frau: „Kunst und Krempel“ heißt das große Vorbild. Seit 1985 ist die BR-Sendung — aktuell läuft sie stets samstags um 19.30 Uhr — Kult und Quotenhit zugleich. Namhafte Fachleute aus Museen und Kunsthandel bringen die Familienschätze der Besucher zum Sprechen und bewerten sie, nicht selten mit erstaunlichen Ergebnissen. Und es wäre doch gelacht, so Jungkunz, wenn nicht auch die Fürther im Besitz solcher Schätze wären, Schätze, die einen genaueren Blick lohnten. Am 26. Juni besteht dazu zwischen 11 und 16 Uhr Gelegenheit.

Anmeldung mit Foto

Wer mitmachen möchte, verschickt bis 10. Juni ein oder höchstens zwei hochauflösende Fotos seines Dachbodenlieblings — erlaubt sind höchstens zwei Gegenstände — mit Namen, Adresse und Telefonnummer auf postalischem (Förderverein Stadtmuseum Fürth, Ottostraße 2, 90762 Fürth) oder elektronischem (foerderverein-stadtmuseum@t-online.de) Weg. Bitte teilen Sie stichpunktartig mit, wie das Objekt in Ihren Besitz gelangte und was Sie über Ihren Familienschatz wissen.
Wer zum Expertengespräch ausgewählt wird, erhält eine Einladung vom Förderverein mit detaillierter Beschreibung zum Ablauf am 26. Juni. Eine kurze Nachricht erhält ebenfalls, wer mit seinem Objekt nicht in die engere Auswahl gekommen ist. Die Teilnahmegebühr für die Expertise beträgt 15 Euro, mit ZAC-Rabatt 12 Euro. Als Experten gehen Kerstin und Kathrin Weidler, die Juniorchefinnen des Auktionshauses Weidler in Nürnberg, sowie Stadtarchivar und Museumschef Martin Schramm an den Start.
Doch nicht eine knappe halbe Stunde, wie im Fall von „Kunst & Krempel“, sondern fünf Stunden steht das sachkundige Trio Rede und Antwort. „Wir wünschen uns gewissermaßen ein Kommen und Gehen“, erklärt Maria Ludwig — und aus diesem Grund gibt es 200 Eintrittskarten für Zuschauer, die, zu welcher Zeit auch immer, zwischen 11 und 16 Uhr vorbeischauen und zuhören möchten. Im Eintrittspreis von 5 Euro ist der Museumsbesuch enthalten. Die Moderation von „Museumsreif“ übernimmt Corinna Mielke („Mittags in Franken“) vom Bayerischen Rundfunk. Und da niemand fünf Stunden lang nur aufs gesprochene Wort hören mag, hat der Tag im Museum neben einer kulinarischen — das Bistro ist offen — auch eine musikalische Seite. Um die kümmert sich das Jazz-Swing-Bossa-Trio Caretta Blue alias Daniela Heydt (Gesang), Rainer Kramer (Piano) und Rolf Klein (Bass).
Die Eintrittskarten gibt es ab sofort im FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19, Telefon 2 16 27 77). Mit Berichten über ganz besondere Dachbodenschätze aus der Kleeblattstadt begleiten die Fürther Nachrichten „Museumsreif“ in den kommenden Tagen und Wochen.

 

Gustavstraße – Bitte mitmachen!

Die Stadtheimatpfleger unterstützen die Bürgerbeteiligung zur Änderung des Bebauungsplans Gustavstraße

Liebe Fürtherinnen und Fürther, 

wie Sie unten stehendem Artikel aus den Fürther Nachrichten vom 7. Mai entnehmen können, soll der Bebauungsplan für den Bereich Gustavstraße geändert werden. Normalerweise macht man gegen ein solches Vorhaben Einwände geltend, aber man kann auch seine Befürwortung äußern. Dazu möchten wir Sie aufrufen:

Schicken Sie eine Mail an das Stadtplanungsamt: dietmar.most@fuerth.de. Textvorschlag: „Ich befürworte das Vorhaben der Stadt Fürth zur Änderung des Bebauungsplanes Gustavstraße“

Vielen Dank!

 

FÜRTH — Im Bemühen, den Gastronomen in der Altstadt den Rücken zu stärken, treibt die Stadt die Änderung des Bebauungsplans voran. Jetzt beginnt die heiße Phase. Der Oberbürgermeister hofft darauf, dass sich viele Fürther zu Wort melden.

Dass man im Rathaus überhaupt das langwierige Verfahren einer Planänderung angeht, hat einen Grund: Die bisherige Regelung hat die Position der Stadt bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mit ruhebedürftigen Anwohnern empfindlich geschwächt. Die Richter ließen mehrfach einfließen, dass der gültige Bebauungsplan einen besonderen Schutz des Wohnens in der Altstadt vorsieht, den es zu berücksichtigen gilt.
Bei seiner Erstellung 1988 ging es der Stadt darum, den Wildwuchs von Kneipen und Spielhallen zu unterbinden und das Viertel aufzuwerten. „Damals hatte man die Sorge, dass die Bevölkerung beeinträchtigt wird“, sagte Oberbürgermeister Jung am Mittwoch im Bauausschuss. „Jetzt gilt die Sorge der Gastronomie.“ Folglich müsse der Plan angepasst werden – ohne die Anwohner ungeschützt zurückzulassen, wie Jung betont. Man wolle vielmehr den besonderen Schutz auf das gesetzlich Vorgeschriebene zurückfahren.
Seit Ende der 80er Jahre, meint man im Rathaus, habe sich schließlich viel geändert. Abendliches Ausgehen habe einen ganz anderen gesellschaftlichen Stellenwert bekommen, zudem würden sich die Fürther erheblich intensiver mit ihrer Altstadt und der Gustavstraße identifizieren.

Wohnen und Gewerbe

Bislang untersagte der Bebauungsplan den Gastronomen, ihre Kneipen in größerem Umfang zu erweitern oder umzubauen. Gestattete die Stadt es trotzdem, wurde sie bisweilen, wie im Fall des „Gelben Löwen“, von Richtern ausgebremst. „Planungsrechtlichen Restriktionen“ wie diese, heißt es nun, sollen getilgt werden, um im „Mischgebiet“ Altstadt eine „Gleichberechtigung“ von Wohnen und Gewerbe zu gewährleisten. Spielhallen und Wettbüros sollen weiterhin im gesamten Geltungsbereich verboten bleiben: Gemeint ist das Areal zwischen König-, Kapellen- und Henri-Dunant-Straße.
In die Wege geleitet wurden die Änderungen bereits im Sommer 2014. Jetzt steht die „frühzeitige Bürgerbeteiligung“ an. Alle Fürther – Kneipengäste wie Anwohner – können den Verantwortlichen im Rathaus mitteilen, was sie von dem Vorhaben halten. Jung hofft, dass sich möglichst viele Menschen beteiligen. „Jede Äußerung ist willkommen.“ Das Verfahren selbst wird sich noch etliche Monate hinziehen. Spätestens bis zur Freischanksaison 2017 will es die Verwaltung aber abgeschlossen haben.
Allzu große Erwartungen haben die verantwortlichen Referenten bereits vor einigen Monaten gedämpft: Die Bebauungsplanänderung werde nicht sämtliche Probleme im Lärmstreit lösen, aber „bestimmte Spielräume eröffnen“, sagte etwa Rechtsreferent Christoph Maier. Im Rathaus geht man davon aus, dass Anwohner gerichtlich dagegen vorgehen werden. Auch deshalb wünscht sich Oberbürgermeister Jung eine rege Bürgerbeteiligung.

JOHANNES ALLES, Fürther Nachrichten

 

Die Dambacher Beamtensiedlung ist Denkmal

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Ein Haus in der Beamtensiedlung heute

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Die Beamtensiedlung 1925 Fotos: Archiv Lothar Berthold

Jetzt ist es amtlich: Mit Bescheid vom 15. Februar 2016 hat der Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege die Beamtensiedlung zum Baudenkmal-Ensemble erklärt. Damit wurde einem Wunsch unseres Vorgängers entsprochen, der seinen Antrag auf Aufnahme in die Denkmalliste mit der geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung der in den Jahren 1921 bis 1926  vom Nürnberger Architekten Bendel geplanten Siedlung begründete.

Im Schreiben des Landesamtes heißt es dazu: „Die Gründung der Beamtenbaugenossenschaft Fürth im Jahr 1921… war eine direkte Reaktion auf die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs insbesondere in den Großstädten aufgekommene große Wohnungsnot. Die Schaffung von günstigem Wohnraum für städtische und staatliche Beamtenfamilien bei gleichzeitiger Berücksichtigung reformerischer Ideen wie der eigene Garten mit kleinem, der Selbstversorgung dienendem Stallgebäude, ist von hoher sozialgeschichtlicher Bedeutung.“ Und weiter: „Die Beamtensiedlung ist … ein baulich geschlossenes Beispiel für die Übergangsphase vom Historismus zur Moderne in der Architektur.“

Damit ist unsere Denkmalstadt Fürth wieder um ein besonderes Kleinod reicher geworden. Wie das „Eigene Heim“ oder die ehemalige amerikanische Offizierssiedlung in Dambach steht sie nun unter Ensembleschutz und hat damit zumindest eine kleine Garantie, als Zeugnis vorbildlichen Bauens zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Nachwelt überliefert zu werden.

Interessante Informationen zum Thema Ensembleschutz finden Sie unter: http://recht.denkmalnetzbayern.de/wp-content/uploads/2015/06/09-ensemble-12seiten.pdf

Die „Pechhütt´n“ in der Südstadt

12D0053Pechh.Sehr einladend zeigt sie sich ausgerechnet bei ihrem „Entrée“ ja nicht gerade, die Fürther Südstadt, wenn man von der Innenstadt aus der Bahnunterführung in die Schwabacher Straße kommend nach links schaut. Dort steht das Haus Nummer 53. Mit ihm begann die Stadtentwicklung südlich der Bahnlinie – und damit auch die Geschichte der Südstadt. „Pechhütt´n“ nennen die Einheimischen dieses Anwesen oder „Weber´s Haus“. In der heutigen Folge aus der Reihe „Häuser erzählen Geschichten“ geht es um diesen freistehenden Eckbau, der 1831 von Maurermeister Meyer und Zimmermeister Georg Herrlein als Ausflugsgaststätte errichtet wurde.

Sein Bauherr, der Schuhmacher Georg Bosch, der auch mit Käse handelte, bemühte sich allerdings zunächst vergeblich um die Erlaubnis, auf seinem Anwesen „nächst der Schwabacher Straße, wo er vor einiger Zeit ein Stück Feld erkauft, solches zu einem Garten umgewandelt und ein Haus darauf erbaut“, eine Sommerwirtschaft zu betreiben. Ob und wann dort tatsächlich ein Gastronomiebetrieb lief, lässt sich leider nicht eruieren.

Viele Jahre blieb die „Pechhütt´n“ das einzige Haus südlich des alten Krankenhauses. Lange Zeit war das Anwesen auch nur über einen Feldweg und eine kleine Brücke zu erreichen, die über den „Leyher Landgraben“ ging. In der Denkmalliste finden wir eine Beschreibung des Gebäudes, das noch heute von einem großen Garten umgeben ist: „Zweigeschossiges, klassizistisches Wohnhaus aus Sandstein mit Gurtgesims und Walmdach.“  Auf dem Foto oben sieht man den neueren Eingangsvorbau mit einer Freitreppe. So hoch über der Schwabacher Straße „thronte“ das Gebäude nicht von Anfang an. Erst der Bau und die Erweiterung der Bahnunterführung (1896 und 1926)  brachten diese Veränderung mit sich: Die Schwabacher Straße musste tiefer gelegt und das Haus entsprechend abgestützt werden.

Erst im Fürther Adressbuch von 1850 findet man dann bei dem damaligen Bewohner Johann Adam Reichel neben der Berufsbezeichnung „Drechslermeister“ auch die Angabe „Wirt“. J.A. Reichel besaß seit 1848 zudem die Lizenz zur Herstellung von Schwefelhölzern. Diese Genehmigung wurde ihm auch deswegen erteilt, weil aufgrund der Lage seines Hauses „am äußersten Ende der Stadt“ keine Sicherheitsbedenken für solch eine Produktion bestanden. Ob daher wohl die Bezeichnung „Pechhütt´n stammt? Der Schluss liegt jedenfalls nahe.

Die Bezeichnung „Weber´s Haus“ wiederum geht sicherlich auf den langjährigen Eigentümer Johann Georg Weber zurück, der 1872 das Anwesen von seinem Vorbesitzer, dem Wirt Georg Ammon, übernahm. Zu lesen ist vom „Weber´s Haus“ 1932 in den Erinnerungen des ersten Fürther Stadtarztes Dr. Emil Stark (1862 – 1939). Dort heißt es: „Östlich der Schwabacher Landstraße, gleich links über der Bahn gelegen, stand das sog. „Weber´s Haus“, jetzt Schwabacher Straße 53…“

Webers Witwe Anna Marg ließ übrigens 1902 durch den renommierten Fürther Architekten Adam Egerer (1859 – 1936) den noch heute vorhandenen Anbau an der Rückseite errichten. Sie bewohnte das Erdgeschoss, im ersten Stock ist von 1903 bis 1935 Hermann Friedrich nachweisbar. Dieser Herr wurde am 27. April 1933 zum „Zweiten Rechtskundigen Bürgermeister“ ernannt – in derselben Sitzung, in der Oberbürgermeister Robert Wild durch den Nationalsozialisten und späteren Oberbürgermeister Franz Jakob abgesetzt wurde.

stich030Pechh.Danach wechselten die Eigentümer recht oft. Vielleicht erinnern sich manche Fürther noch an den letzten Bewohner, den Zahnarzt Dr. Herbert Fichtner, der dort bis in die 1980er Jahre auch seine Praxis betrieb.

Seitdem steht das denkmalgeschützte Haus leer, verfällt zusehends und ist immer wieder Stoff für Spekulationen.

Zuletzt im April 2015 in den Fürther Nachrichten. Da schrieb Redakteur Johannes Alles: „Totgesagte leben länger: Die Pläne für ein neues Hotel in der Südstadt sind aktuell – völlig unabhängig von einem weiteren Hotelneubau an der Stadthalle – Bauantrag bis Juni“. Alles berichtet von den Plänen der Solena GmbH, mit einem 100-Betten-Bau die Lücke entlang der Karolinenstraße zu schließen und das älteste Haus der Südstadt zu sanieren. Das neue Hotel soll den maroden Altbau umschließen und in das Konzept integrieren. Und Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung sagt im gleichen Artikel dazu, dass das mittlerweile sehr verwahrloste Grundstück geradezu nach einer Entwicklung schreie. Es werde Zeit, dass sich dort etwas tue. „Erzwingen kann die Stadt das aber nicht“.

Und so ist wieder fast ein Jahr vergangen, ohne dass sich am „Tor zur Fürther Südstadt“ etwas geändert hat. Die gute alte „Pechhütt´n wartet nach wie vor auf ihre Erweckung aus dem Dornröschenschlaf. Bleibt zu hoffen, dass der erlösende Prinzenkuss kommt, bevor die Abrissbirne vor dem Grundstück steht.

Ein dickes Dankeschön an die Historikerin Helga Zahlaus für die Unterstützung bei der Recherche zu diesem Beitrag.

Literatur/Quellen:

  • FürthWiki: Schwabacher Straße 53.
  • Habel, Heinrich: Stadt Fürth. Ensembles, Baudenkmäler, archäologische Denkmäler, München 1994, S. 370.
  • Walther, Gerd; Geschichte für Alle e.V. (Hgg.): Fürth – Die Kleeblattstadt. Rundgänge durch Geschichte und Gegenwart, Fürth 1991, S. 84.
  • Adressbücher der Stadt Fürth 1850 bis 1982.

 

Fotos: Archiv Lothar Berthold10D3089Pechh.

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Zum Tod von Robert Schopflocher

Der plötzliche Tod von Robert Schopflocher hat auch mich sehr traurig gemacht. Von Beginn an begleitete Herr Schopflocher unsere Arbeit mit großem Interesse und Wohlwollen. Vieles davon finden Sie auf diesen Seiten. Immer wieder hat er uns an seinen Fürth-Erinnerungen teilhaben lassen und sich nach Denkmalorten in seiner Heimatstadt erkundigt. Dieser wunderbare Austausch wird mir fehlen. Unten der sehr schöne Nachruf aus den Fürther Nachrichten von Bernd Noack.

 

Dialog mit den Geistern der Vergangenheit

Der aus Fürth stammende Schriftsteller Robert Schopflocher ist mit 92 Jahren in Buenos Aires gestorben

VON BERND NOACK

Der 1923 in Fürth geborene jüdische Schriftsteller Robert Schopflocher, der sich in seiner Exil-Heimat Argentinien Roberto nannte, ist am vergangenen Samstag in Buenos Aires gestorben.

Wer das Glück hatte, Robert Schopflocher kennenzulernen, der traf auf einen distinguierten älteren und altersweisen Herrn, der zuhören und erzählen konnte, der neugierig war noch immer, obwohl er doch in mehr als neun Jahrzehnten so viel erfahren und durchgestanden hatte. Schopflochers Augen leuchteten, wenn er in seine Erinnerungen abtauchte und aus dem ganzen Wissens- und Daseins-Schatz die Zeiten hervorholte, in denen er den Segen des Lebens genießen, aber auch die Abgründe des Schicksals ertragen musste. Der Segen, das war die Kindheit in seiner Geburtsstadt Fürth. Hier kam er am 14. April 1923 zur Welt, als Sohn einer großbürgerlichen jüdischen Familie. Im stattlichen Gebäude an der Königswarterstraße spielte das Kind und wuchs heran: Als Schopflocher bei einem seiner zahlreichen Fürth-Besuche nach dem Krieg nochmal in seine alte Wohnung kam, fand er im Holz eines Türstocks die Kerben wieder, die eingeritzt wurden um zu kontrollieren, wie schnell das Kind damals größer wurde. Flucht vor den Nazis Solche Details, anrührend viele und – wie man sehen sollte – nicht wenige tragisch, waren es, die Robert Schopflocher seit der Flucht vor den Nazis im Jahr 1937 mit sich und im Herzen trug. Schopflochers Gedanken an das alte Fürth waren ungemein sinnlich: er beschrieb Gerüche und Geräusche, er hörte noch die Töne einer quietschenden Straßenbahn und sah vor sich die bunten Lichter der Kirchweih, als er schon lange in Argentinien lebte, wohin sich seine Familie seinerzeit in Sicherheit gebracht hatte. Diese Sicherheit war für Schopflocher nie unproblematisch. Und hier sind wir bei den Abgründen: Der „Verkettung nicht voraussehbarer Umstände ist es zuzuschreiben, dass ich nicht in der Gaskammer oder im Krematorium endete wie mehr als einer meiner früheren Schulkameraden und Schulfreunde,“ schrieb er in seinen Erinnerungen „Weit von hier“. Schmerzhaft unsentimentale, knappe, lapidare Gedanken waren das über eine abenteuerliche Reise durch die Welt, an deren Beginn der Zufall stand. Solche Sätze, die in die Idyllen wie Hiebe fuhren, blieben dem Leser im Hinterkopf, und man spürte, wie brüchig eine Existenz ist, von wieviel ungeahnten Ereignissen sie beeinflusst wird, wieviel Verluste sie begleiten. Robert Schopflocher, der „Davongekommene“ hat diese „Umstände“ aber auch als Auftrag begriffen: Er ruhte sich nicht aus auf seinem Glück, sondern mischte sich denkend, schreibend und handelnd ein. Also fragte er – und bezog das eben nicht allein auf seine jüdische Herkunft –, warum eine Minderheit denn kulturelle Errungenschaften, Tradition und Geschichte über Bord werfen sollte, „gewissermaßen als Preis, um von der Umwelt akzeptiert zu werden“? Schopflocher selber hat konsequent an seiner Identität festgehalten, auch und vor allem in der Fremde, die ihm nach und nach zur Heimat wurde: die Vertreibung konnte ihm die Reminis-zenzen, den Stolz, den Schmerz und die Hoffnung nicht austreiben. Soviel erlittene Erniedrigung, Ausgrenzung und Abschiede aber trug er mit sich herum, immer war da das „nachhallende Grundgeräusch, das von der Shoah ausgeht“, und dennoch war er fähig zu Sätzen wie diesem: „Verwundert stelle ich fest, dass das Kindheitsland, aus dem ich verstoßen wurde, in den tiefen Schichten meines Seins weiter lebt und wirkt, trotz der unfassbaren Verbrechen, die in ihm stattgefunden haben. Das Land und seine Sprache.“ Zu dieser, seiner Mutter- und Vater-Sprache (und also zum Schreiben) zurück fand Schopflocher spät und erst dann wirklich, als er sie nicht mehr rund um sich hören konnte. In Argentinien, wo er im Brotberuf als Verwalter landwirtschaftlicher Güter und als Kaufmann arbeitete, ent-stand erste Prosa in spanischer Sprache, dann begann er auf Deutsch zu schreiben. Seine argentinischen Erzählungen erschienen bald übersetzt im renommierten Suhrkamp Verlag, sein erster deutsch verfasster Roman „Wie Reb Froike die Welt rettete“, in dem das vergessene und zerstörte jüdische Schtetl lebendig wurde, war ein großer Erfolg bei Kritik und Lesern. Es folgten weitere Romane, oft genug Brückenschläge zwischen der alten verlorenen Welt und der rettenden neuen Heimat, Gedichte, feuilletonistische Ausflüge in die Vergangenheit. 2008 ehrte ihn die Stadt Fürth mit dem Jakob-Wassermann-Literaturpreis. Sein vor kurzem erschienener letzter Roman „Das Komplott zu Lima“ erzählt sprachgewaltig von dem gefährlichen Leben der Juden im Südamerika des 17. Jahrhunderts. Was man vermisst Eine schlichte Karte von Robert Schopflocher, datiert auf den 8. Dezember 2015, erreichte mich erst dieser Tage als verspäteter Neujahrsgruß. Die Schrift schon zittrig, drücken die Wünsche zu einer „glücklicheren Epoche 2016“ Verbundenheit aus, auf die sich verlassen konnte, wer den Schriftsteller kannte. Und einer der letzten Texte aus der Feder Robert Schopflochers dürfte ein Beitrag zu einer Serie im Lokalteil der Fürther Nachrichten sein, in der es um Dinge, Orte und Menschen geht, die man vermisst. Darin heißt es – und es klingt wie ein Vermächtnis: „Man sollte sehr genau aufpassen, welche Geister man durch die Pforten der Erinnerung schlüpfen lässt, und welchen man die Gnade der Vermisstmeldung angedeihen lassen soll. Eine Selektion, bei der wir mit dem guten Willen der Nachgeborenen rechnen dürfen, deren ausgestreckte Freundeshand wir dankbar ergreifen.“