Sehr einladend zeigt sie sich ausgerechnet bei ihrem „Entrée“ ja nicht gerade, die Fürther Südstadt, wenn man von der Innenstadt aus der Bahnunterführung in die Schwabacher Straße kommend nach links schaut. Dort steht das Haus Nummer 53. Mit ihm begann die Stadtentwicklung südlich der Bahnlinie – und damit auch die Geschichte der Südstadt. „Pechhütt´n“ nennen die Einheimischen dieses Anwesen oder „Weber´s Haus“. In der heutigen Folge aus der Reihe „Häuser erzählen Geschichten“ geht es um diesen freistehenden Eckbau, der 1831 von Maurermeister Meyer und Zimmermeister Georg Herrlein als Ausflugsgaststätte errichtet wurde.
Sein Bauherr, der Schuhmacher Georg Bosch, der auch mit Käse handelte, bemühte sich allerdings zunächst vergeblich um die Erlaubnis, auf seinem Anwesen „nächst der Schwabacher Straße, wo er vor einiger Zeit ein Stück Feld erkauft, solches zu einem Garten umgewandelt und ein Haus darauf erbaut“, eine Sommerwirtschaft zu betreiben. Ob und wann dort tatsächlich ein Gastronomiebetrieb lief, lässt sich leider nicht eruieren.
Viele Jahre blieb die „Pechhütt´n“ das einzige Haus südlich des alten Krankenhauses. Lange Zeit war das Anwesen auch nur über einen Feldweg und eine kleine Brücke zu erreichen, die über den „Leyher Landgraben“ ging. In der Denkmalliste finden wir eine Beschreibung des Gebäudes, das noch heute von einem großen Garten umgeben ist: „Zweigeschossiges, klassizistisches Wohnhaus aus Sandstein mit Gurtgesims und Walmdach.“ Auf dem Foto oben sieht man den neueren Eingangsvorbau mit einer Freitreppe. So hoch über der Schwabacher Straße „thronte“ das Gebäude nicht von Anfang an. Erst der Bau und die Erweiterung der Bahnunterführung (1896 und 1926) brachten diese Veränderung mit sich: Die Schwabacher Straße musste tiefer gelegt und das Haus entsprechend abgestützt werden.
Erst im Fürther Adressbuch von 1850 findet man dann bei dem damaligen Bewohner Johann Adam Reichel neben der Berufsbezeichnung „Drechslermeister“ auch die Angabe „Wirt“. J.A. Reichel besaß seit 1848 zudem die Lizenz zur Herstellung von Schwefelhölzern. Diese Genehmigung wurde ihm auch deswegen erteilt, weil aufgrund der Lage seines Hauses „am äußersten Ende der Stadt“ keine Sicherheitsbedenken für solch eine Produktion bestanden. Ob daher wohl die Bezeichnung „Pechhütt´n stammt? Der Schluss liegt jedenfalls nahe.
Die Bezeichnung „Weber´s Haus“ wiederum geht sicherlich auf den langjährigen Eigentümer Johann Georg Weber zurück, der 1872 das Anwesen von seinem Vorbesitzer, dem Wirt Georg Ammon, übernahm. Zu lesen ist vom „Weber´s Haus“ 1932 in den Erinnerungen des ersten Fürther Stadtarztes Dr. Emil Stark (1862 – 1939). Dort heißt es: „Östlich der Schwabacher Landstraße, gleich links über der Bahn gelegen, stand das sog. „Weber´s Haus“, jetzt Schwabacher Straße 53…“
Webers Witwe Anna Marg ließ übrigens 1902 durch den renommierten Fürther Architekten Adam Egerer (1859 – 1936) den noch heute vorhandenen Anbau an der Rückseite errichten. Sie bewohnte das Erdgeschoss, im ersten Stock ist von 1903 bis 1935 Hermann Friedrich nachweisbar. Dieser Herr wurde am 27. April 1933 zum „Zweiten Rechtskundigen Bürgermeister“ ernannt – in derselben Sitzung, in der Oberbürgermeister Robert Wild durch den Nationalsozialisten und späteren Oberbürgermeister Franz Jakob abgesetzt wurde.
Danach wechselten die Eigentümer recht oft. Vielleicht erinnern sich manche Fürther noch an den letzten Bewohner, den Zahnarzt Dr. Herbert Fichtner, der dort bis in die 1980er Jahre auch seine Praxis betrieb.
Seitdem steht das denkmalgeschützte Haus leer, verfällt zusehends und ist immer wieder Stoff für Spekulationen.
Zuletzt im April 2015 in den Fürther Nachrichten. Da schrieb Redakteur Johannes Alles: „Totgesagte leben länger: Die Pläne für ein neues Hotel in der Südstadt sind aktuell – völlig unabhängig von einem weiteren Hotelneubau an der Stadthalle – Bauantrag bis Juni“. Alles berichtet von den Plänen der Solena GmbH, mit einem 100-Betten-Bau die Lücke entlang der Karolinenstraße zu schließen und das älteste Haus der Südstadt zu sanieren. Das neue Hotel soll den maroden Altbau umschließen und in das Konzept integrieren. Und Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung sagt im gleichen Artikel dazu, dass das mittlerweile sehr verwahrloste Grundstück geradezu nach einer Entwicklung schreie. Es werde Zeit, dass sich dort etwas tue. „Erzwingen kann die Stadt das aber nicht“.
Und so ist wieder fast ein Jahr vergangen, ohne dass sich am „Tor zur Fürther Südstadt“ etwas geändert hat. Die gute alte „Pechhütt´n wartet nach wie vor auf ihre Erweckung aus dem Dornröschenschlaf. Bleibt zu hoffen, dass der erlösende Prinzenkuss kommt, bevor die Abrissbirne vor dem Grundstück steht.
Ein dickes Dankeschön an die Historikerin Helga Zahlaus für die Unterstützung bei der Recherche zu diesem Beitrag.
Literatur/Quellen:
- FürthWiki: Schwabacher Straße 53.
- Habel, Heinrich: Stadt Fürth. Ensembles, Baudenkmäler, archäologische Denkmäler, München 1994, S. 370.
- Walther, Gerd; Geschichte für Alle e.V. (Hgg.): Fürth – Die Kleeblattstadt. Rundgänge durch Geschichte und Gegenwart, Fürth 1991, S. 84.
- Adressbücher der Stadt Fürth 1850 bis 1982.
Fotos: Archiv Lothar Berthold