Das Evora Haus

 

„Häuser erzählen Geschichten“: Unter diesem Titel wollen wir in loser Folge einen Blick hinter die Fassaden von Fürther Häusern werfen, etwas erzählen von den Menschen, die dort gewohnt haben, und zeigen, wie sich über die Jahrhunderte an solchen Orten die Stadtgeschichte entwickelt hat.

Beim Jahresgruß auf unserer Startseite war es schon einmal zu sehen, das „Evora Haus“ in der Königswarter Straße. Seine Geschichte erzählt ein Bewohner. Wir danken Bernd-Uwe Schinzel ganz herzlich für diesen Beitrag.

 

Evorahaus

1976, Städtebilderverlag Lothar Berthold

Fürth, um 1890. In der Stadt leben rund 43.000 Einwohner. Bürgermeister seit 1873 (bis 1901) ist Friedrich Langhans. Über ein halbes Jahrhundert lang fährt schon die erste deutsche Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. Vor neun Jahren hat der Adler Konkurrenz bekommen: eine Pferdebahn verbindet die beiden Städte. Die Lokalbahn nach Zirndorf wird 1890 eröffnet und 1892 bis Cadolzburg verlängert. Die frühere Bahnhofstraße entlang den Gleisen der Ludwigseisenbahn heißt seit 1875 Königswarterstraße, benannt nach Dr. Wilhelm Königswarter (1809 – 1887), Sohn einer wohlhabenden Bankiersfamilie und einem der vielen jüdischen Wohltäter der Stadt, Ehrenbürger seit 1867, Stifter des Centaurenbrunnens. Noch stehen hier nur vereinzelte Häuser. Auf dem Eckgrundstück Königswarterstraße / Luisenstraße (Ostseite) wachsen Gras und Büsche. Im Jahr 1893 erscheint Schmittner´s „Adreß- und Geschäfts-Handbuch von Fürth unter amtlicher Mitwirkung mit dem neuesten Stadtplan von Fürth“. Preis für Nichtabonnenten 4,50 Mark. Im II. Teil auf Seite 63 wird unter„Königswarterstraße 52“Evora, Wilh., Brauereibesitzer als Eigentümer dieses Bauplatzes ausgewiesen. Evora selbst wohnt in seiner Villa im Haus Nr. 54.

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Mittlerweile ein begehrtes Sammelobjekt: Das Bierfilzla der Brauerei Evora

Der Brauereibesitzer Wilhelm Evora, geboren am 27. April 1846 in Marienburg/Ostpreußen, einer der führenden Köpfe der Bürgerlichen Linken und Landtagsabgeordneter (1887 – 1892), ist Mitbesitzer der Fürther Brauerei „Evora & Meyer“ in der Erlanger Straße. Der auf dem Brauereigelände errichtete größte Biergarten der Stadt bietet seit 1883 rund  6000 Gästen Platz. 1892 erteilt Evora (nach ihm ist die Wilhelmstraße auf der Schwand benannt), dem Star-Architekten der Gründerzeit, Fritz Walter, den Auftrag für ein repräsentatives Wohnhaus auf dem Flurgrundstück Nummer 1114/7 der Gemarkung Fürth: Königswarterstraße 52. Obwohl der aufkommenden Arbeiterbewegung gegenüber aufgeschlossen, bekommt Evora gewaltigen Ärger mit dem Fürther Braugehilfenverband. Weil er fünf Brauburschen „wegen böswilligen Bierverschüttens“ auf die Straße gesetzt hat, ruft der Verband in der Fürther Bürgerzeitung vom 12. November 1892 die gesamte Arbeiterschaft zum Boykott der Evora-Biere auf. Erst am 24. Februar 1893 hebt eine Versammlung der Braugehilfen im „Grünen Baum“ den Boykott auf, nachdem die Humbser-Brauerei drei der Entlassenen eingestellt hat. Die beiden anderen versuchen sich als Gastwirte. Wilhelm Evora kann sich auf die Solidarität seiner Bauereibesitzerkollegen verlassen. Sie entschädigen ihn für den Umsatzverlust. Sommer 1893. In Cadolzburg wird der Aussichtsturm eingeweiht, der (nicht nur zur Kirschblütenzeit) die Attraktion ist. Wilhelm Evora, gerade 47 Jahre geworden, stirbt, bevor sein im Stile des Historismus errichtetes Haus fertig gestellt ist.

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Aus den Bauplänen des Evora Hauses

Die Brauereibesitzerswitwe bezieht mit ihrem Sohn Hilmar Evora und dessen Familie die Parterrewohnung des neuen Hauses. Im 1. Stock residiert der Fabrikbesitzer Albert Bernhard Bach. Das Kindermädchen der Bachs, die Erzieherin Walburga Wirtheim, die hier gemeldet ist, hat ihr(e) Zimmer vermutlich im Seitenflügel Luisenstraße. Im 2. Stock verfügt der Fabrikbesitzer Siegfried Binswanger über fast 35o Quadratmeter Wohnfläche. Den 3. Stock teilen sich die Familien des städt. Schulrates Dr. Bernhard Bauer und des Expeditors Maximilian Hägel. Im 4. Stock, damals nur im Bereich Luisenstraße als Wohnung ausgebaut, sind die Bahnarbeiter Johann und Joh. Georg Stümpfl registriert. Das Haus Nummer 54 ist zu diesem Zeitpunkt unbewohnt. Evora wird die Villa Stein um Stein abtragen und auf dem Brauereigelände wieder aufbauen lassen. Zwei Jahre später, 1895, wird direkt vor der Haustüre die neue Haltestelle “Fürth Ost” (später: Luisenstraße) der Ludwigseisenbahn errichtet. Am 14. Juni 1897 übernehmen Wilhelm Evoras Söhne Emil und Hilmar das Haus in ihren Besitz. 1898 feiert die elektrische Straßenbahn als Nachfolgerin der Pferdebahn Premiere. In der Hirschenstraße wird das erste öffentliche Wannen- und Brausebad eingeweiht. Diese städtische Einrichtung ist dringend nötig, weil zu dieser Zeit weniger als sechs Prozent aller Fürther Wohnungen ein eigenes Badezimmer aufweisen können. Um die Jahrhundertwende verlassen die Familien Bach und Binswanger das Haus Nummer 52. Im ersten Stock zieht der Kommerzienrat Martin Ullman ein, im 2. Stock der Kommerzienrat und Fabrikbesitzer Alb. Rosenfelder, im 3. Stock der frühere Major Hermann Freiherr von Bechtolsheim. Alle drei Parteien bewohnen ihre Etagen ohne weitere Mieter. Hilmar Evora, nunmehr Brauereibesitzer, erbt am 11. Juli 1907 das Haus und wird am 5. Dezember 1907 als Alleineigentümer in das Grundbuch eingetragen. Zu dieser Zeit wohnt im 1. Stock der Großhandelskaufmann Martin Ullmann, im 2. Stock der Fabrikbesitzer Albert Rosenfelder, im 3. Stock der Major Franz Held und im 4. Stock die Metallschlägerswitwe Magd. Huber sowie die Verkäuferin Maria Huber, ebenfalls die Laternanzünderswitwe Susanna Margareta Angerer. 1911 zieht Hilmar Evora mit seiner Familie in die Zähstraße 4. Am 18. Oktober 1920 verkauft Evora das Anwesen Königswarterstraße 52 an die Großkaufmanns-Eheleute Luis und Louise Merkel, die ihren Wohnsitz in Chicago haben. Offenbar hat Evora sich beim Verkauf ein Wohnrecht vorbehalten, denn seit 1921 wohnt Hilmar Evora wieder in seinem “alten” Haus. Diesmal im 2. Stock. Im 1. Stock herrscht der Kaufmann Hermann Betz. Die Merkels überlassen den Sandsteinbau mit der imposanten Fassade und dem markanten Türmchen am 28. September 1923 dem Kaufmann Gustav Reis, der mit seiner Frau im Anwesen Nr, 54 ½ lebt. Im Parterre von Haus Nummer 52 wohnen seit 1926 die Fabrikbesitzer Hans und Isaak Schopflocher mit ihren Familien. Hilmar Evora, mittlerweile Privatier, hat 1931 nur noch vier Zimmer, Küche, Bad, Balkon und Mädchenzimmer im 2. Stock. Der Rest der Wohnung ist abgetrennt. Hier lebt nun die Schneiderin Kreszentia Streil. Im 3. Stock residiert der Bankier Friedrich Stamm mit Familie. Von den Schopflochers im Parterre sind nur noch Hans Schopflocher sowie die Witwe Sabine Schopflocher registriert. Robert Schopflocher muss 1934 mit seinen Eltern zunächst in die Sommerstraße ziehen, dann weiter in eine der nächsten Seitenstraßen, bis er im April 1937, 14jährig, mit der Familie nach Argentinien auswandert. Die wirtschaftliche Lage in diesen Jahren ist nicht besonders rosig. Weil die Mieten für viele unerschwinglich werden, stehen viele Wohnungen, sogar ganze Häuser in den Prachtstraßen Hornschuchpromenade und Königswarterstraße leer. Im Haus Nr. 52 wechseln die Mieter immer häufiger. Die Stockwerke beherbergen jetzt mehrere Familien. Dr. Fritz Gastreich, der seit 1935 im Erdgeschoß von Nr. 52 eine Klinik betreibt, kauft zwei Jahre später das Haus und wird am 28. Dezember 1937 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt heißt die Straße “Adolf-Hitler-Straße”. Den 2. Weltkrieg überstand das Haus nahezu unbeschadet. Im Jahr 1956 vermerkt das Adressbuch insgesamt zwanzig erwachsene Personen als Mieter. Im Jahr 1961 sind noch 19 Personen eingetragen. 1976 sind es 21 Bewohner (ohne Kinder), 1982 immer noch 20. Am 23. Dezember 1958 geht das Haus auf den Berliner Chirurgen Dr. Eberhard Stutzbach über, der die Klinik bis zum Verkauf des Anwesens an eine Nürnberger Immobilienfirma im Jahr 1986 weiterführt. In den 60er Jahren wurden die Malereien im Vestibül und Treppenhaus mit grauen Plastikschindeln überklebt, um eine aufwändige Sanierung zu umgehen. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die bleiummantelten Glasfenster gegen Glasbausteine ausgetauscht. Die Wohnungen werden im Frühjahr 1986 den Mietern zum Kauf angeboten. Im Sommer 2006 wurden nach Rücksprache mit der Denkmalbehörde in München die Glasbausteine gegen moderne Fenster ausgetauscht, um einen Fluchtweg zu schaffen. Zum 100. Geburtstag des Hauses feierte die Eigentümergemeinschaft im Hof am 11. September 1993 ein rauschendes Fest. Zu diesem Zeitpunkt wohnen 24 Personen in dem Haus. Fürth, Ende 2006. Die Eigentümergemeinschaft des so genannten Evora-Hauses , entschließt sich, zum 100ten Geburtstag der Stadt im Jahr 2007,   Vestibül und Treppenaufgang des Anwesens Königswarterstraße 52 zu restaurieren. Dem damaligen Zeitgeist entsprechend, waren Mitte der 60er Jahre die bemalten Wände des Eingangs wie des Treppenhauses mit beigen Plastikplatten beklebt worden. Diese Platten finden sich auch in benachbarten Hauseingängen wieder. Dem Malermeister Thomas wurde der Auftrag erteilt, diese Platten zu entfernen, den im Lauf der Jahre rissig gewordenen Untergrund zu erneuern und die Wände in einer einheitlichen, dezenten Farbe zu streichen. Am 8. Januar 2007 beginnen die Arbeiten. Beim Entfernen der geriffelten und genoppten Kunststoffplatten kommen Fragmente der ursprünglichen Bemalung im Vestibül aus dem Jahr 1893 zum Vorschein: Lüftlmalereien eines unbekannten italienischen Künstlers, der an der rechten Wand eine toskanische Villa und auf der linken Seite Szenen aus Rom (Engelsburg, Forum Romanum, Petersdom-Kuppel) zur Erbauung der Besucher des Hauses entstehen ließ. Antike Götter, das Fürther Kleeblatt in der Form von 1893, das bayerische Wappen, Ornamente und Vögel im oberen Bereich des Vestibüls erhalten ihr ursprüngliches Aussehen wieder. Im Bereich des Treppenaufganges werden Teile der alten farblichen Gestaltung entdeckt: hoch und quer angelegte, verschieden gestaltete Rauten in Schwarz und Umbra, Umrandungen in ocker und oliv. Und da waren dann noch Teile einer Borte mit einer schier unendlichen Reihe von sich überschlagenden Wellen in Gebrannter Siena, so genannt „Springende Hunde“ Was nun? Malermeister Thomas wird gebeten, die Platten im Bereich des Vestibüls so schonend wie nur irgend möglich entfernen zu lassen. Im Bereich der Treppe werden die zum Vorschein gekommenen Fragmente fotografiert, dann wird mit der Grundsanierung begonnen. Miteigentümerin Christiane Fiechter kann den ihr bekannten Nürnberger Künstler Ludwig Aschenbrenner überreden, sich auf das Abenteuer der Restaurierung einzulassen. Zunächst wird ein Gerüst aufgestellt. Dann geht es an die mühevolle Arbeit, Decke und Seitenwände des Vestibüls wieder in ihrer ursprünglichen Form entstehen zu lassen. Beim Auftragen des Blattgoldes wird er von einer Fürther Restauratorin unterstützt. Dann (nach Beendigung der Malerarbeiten der Fa. Thomas Ende Februar), werden die Vorbereitung zur Wiederherstellung des Treppenhauses getroffen. Knapp ein Jahr braucht Aschenbrenner, um Vestibül und Treppenhaus in liebevoller und hingebungsvoller Kleinarbeit zu neuem Leben zu erwecken. Am 21. November 2007 ist es dann soweit: das (Treppen-)Haus erstrahlt in neuem Glanz. Auch Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung kam zum, Gratulieren. Am 15. Oktober 2008 wurde der Eigentümergemeinschaft im Erlanger Palais Stutterheim vom Bezirk Mittelfranken für „hervorragende denkmalpflegerische Leistungen“ mit einer Urkunde geehrt. „Die Eigentümergemeinschaft Königswarterstraße 52 hat wertvolles Kulturgut in unserem Raume erhalten und sich dadurch um die Heimat verdienst gemacht“ sagte Bezirkstagspräsident Richard Bartsch in seiner Festrede. Fürth, 2007. Robert Schopflocher, am 14. April 1923 im Nathanstift geboren, kehrt zu einem Besuch in seine Heimatstadt zurück. Evi Kurz begleitet ihn mit einem Fernsehteam bei einem Rundgang durch seine Vaterstadt. In der Parterrewohnung der Königswarterstraße 52 geht er zielsicher auf den Türstock zum Eckzimmer zu und deutet tiefbewegt auf eine (mit Farbe übermalte) Kerbe. Als kleiner Bub hatte er von seinem Vater ein Taschenmesser geschenkt bekommen und es gleich am Türstock ausprobiert. Ein Jahr später wird Robert Schopflocher mit dem Jakob Wassermann-Preis der Stadt Fürth geehrt. Fürth, 2011. Am 28. April stellt Robert Schopflocher in der „Grünen Scheune“ am Kirchenplatz sein neues Buch „Weit von wo. Mein Leben zwischen drei Welten“ vor. Zwei Tage später zeigt er auf ausdrücklichen Wunsch seines jüngsten Sohnes Manuel die Parterrewohnung in der Königswarterstraße 52. Begleitet wird er von Manuels Frau, seinen beiden Enkeln und seiner Frau Ruth. Fürth, 2015. Zehn Eigentümer bilden die „Eigentümergemeinschaft Königswarterstraße 52“. Zwei der Wohnungen sind vermietet. Die anderen werden von den Eigentümern selbst bewohnt. – Die Stadt Fürth bietet verschiedene Führungen durch die Stadt an. Als besonderes Highlight geht es auch entlang der einstigen Prachtbauten in der Hornschuchpromenade und Königswarterstraße. Mit Stolz wird den Stadtführern die schwere Eingangstür zum Haus Königswarterstraße 52 geöffnet. Das Haus ist regelmäßig Endstation dieser Führung. Text und Bilder Bernd-Uwe Schinzel

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Das Grab von Wilhelm Evora auf dem Fürther Friedhof

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Das Evora Haus in den 1930er Jahren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Neues vom Evora-Haus:

Nach 36 Jahren wurde die Fassade des Hauses generalsaniert. Auch das  Türmchen wurde aufwändig saniert. Und das unter strengen Denkmalschutzauflagen aus München.

Betreut wurde das Vorhaben durch die Untere Denkmalschutzbehörde im Fürther Rathaus.

Nach erheblichen technischen Schwierigkeiten (bei der letzten Sanierung vor 36 Jahren wurden Teile der Fassade mit Wasserglas versiegelt), erstrahlt das wunderbare Gebäude, das im Stil des Historismus erbaut wurde,wieder in neuem Glanz.

Rund 200.000 Euro hat die Eigentümergemeinschaft dafür aufgewendet. Dafür gebührt ihr Lob und Anerkennung.